Barfussgeschichten von früher




Hier könnt ihr Geschichten von Barfußkindern schreiben.

Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Ottomane » Mo 23. Dez 2019, 16:30

Hallo zusammen,

auch weil wir ja ganzjährig barfuss sind, interessiert es mich sehr, wie es frühr war, als die Kinder noch gewohnheitsmäßig barfuss durch den Winter gekommen sind. Die letzten Jahre hatte ich immer wieder Texte gesammelt über die alte barfusszeit, als Links zu Geschichten oder Texten aus gedruckten Büchern etc. Mit Geschichten meine ich keine augedachten Stories sondern wahre erlebnisberichte. Ich habe mir gedacht, hier können wir ja vielleicht einen Thread machen, wo wie sowas alles sammeln. ich werde hier einige sachen posten und vielleicht habt Ihr ja auch was!

Lieben Gruss,
der Ottomane
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von Anzeige » Mo 23. Dez 2019, 16:30

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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Ottomane » Mo 23. Dez 2019, 17:47

Aus dem Buch "Der erste Frühling" über die Nachkriegszeit:

Auf der Straße liegen immer noch Glassplitter und Änne geht nun schon seit geraumer Zeit barfuß. Kein Schuh passt ihr noch, und Gromas Schlorren würde sie nur anziehen, wenn draußen Eis und Schnee liegen und sie ohne Schuhe festfrieren würde. Also muss sie aufpassen, wo sie hintritt, während sie langsam den Weg zur Post einschlägt. ...
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Ottomane » Di 24. Dez 2019, 15:40

So war das zur Zeit des ersten Welrkriegs

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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon tari12 » Mi 25. Dez 2019, 10:45

Hallo Ottomane,
ich habe deine Beiträge in Geschichten von Barfußkindern verschoben.
Das passt hir besser hin.
LG vom Tari.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Arni » Do 26. Dez 2019, 11:48

Barfußgeschichten von früher gibt es ja fast nur noch in Büchern.
Die da als Kind barfuß waren müssten ja heute mindestens über 70 Jahre alt sein.
Ich mag auch so Geschichten von früher wo die Kinder barfuß waren.
Vom ZEITGUT Verlag gibt Bücher mit Kurzgeschichten die Echt sind.
Barfuß übers Stoppelfeld,
Trümmerkinder,
Guten Morgen, Herr Lehrer,
Wir Kinder vom Lande,
Wo morgens der Hahn kräht,
Unvergessene Schulzeit.
LG vom Arni
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon tiptoe » Mo 30. Dez 2019, 13:38

Hier habe ich etwas aus Oberösterreich gefunden, erste nachkriegszeit, 1948 bis 1952:
https://sensortimecom.wordpress.com/2018/01/10/erster-blogbeitrag/

Ausschnitte daraus:

Ein zentrales Kennzeichen nahezu aller Kinder der damaligen Zeit waren die fehlenden Schuhe. Sie waren schlicht und einfach nicht leistbar. Erst ab den 50ern gab es billige Gummistiefel für Kinder zu kaufen. Wenn man alte Schulfotos ansieht, sticht es sofort ins Auge: Der Lehrer als Einziger in der Klasse mit schweren Schuhen, sog. „Goiserern“; die Kinder allesamt barfuß. Für viele Menschen heute ist es unfassbar. Dasselbe Bild bot sich im gesamten Leben des Dorfes, nahezu zu jeder Jahreszeit: Erwachsene mit Hüten und Wintermänteln im Spätherbst, daneben barfuß laufende Kinder. Das war damals normal, niemand dachte sich was dabei. Das Barfußlaufen wurde auch von der Schule gefördert, es diente der gesunden Abhärtung. Wer nicht barfuß lief, wurde gemobbt, er blieb Außenseiter. In einem Gesundheitsbuch, das meine Oma aufbewahrte, hieß es: „Kinder, wenn sie größer werden, IMMER barfuß nach draußen. Das ist gesund, macht frische Lungen und gutes Lernen. Schneeluft ist die reinste Luft. Die Kinder daher im Winter nicht zurück halten…“


Den meisten Buben machte das Barfußlaufen nichts aus, denn man bekam dabei Füße wie aus Hartgummi und konnte so am besten „schlieferzen“ (das Wort ist heute völlig unbekannt). Das war damals der einzige Wintersport außer Rodeln. (Skifahren war für uns Kinder Ende der 40er ein Sport aus einer fremden Welt). Für unkundige Zeitgenossen: „Schlieferzen“ bedeutet im Wesentlichen das wintersportliche Pendant zum Barfuß-Wasserski. Es dürfte überhaupt der älteste „Wintersportart“ sein. Schuhe eignen sich dafür nicht gut, außer sie wären völlig glatt. Man gleitet auf einer glatten Gras-, Holz-, Eis- oder Schneefläche auf den Füßen, am besten auf Raureif, bis man ausrutscht und auf den Hosenboden knallt. Manche Buben konnten das bergab über dutzende Meter mit hohem Tempo. Um die Richtung zu wechseln, musste man das Umspringen mit neuem Anlauf beherrschen. Wurden die Füße von der Kälte gefühllos, konnte man anschließend kilometerweise auf den Schotterstraßen weiterlaufen, ohne was zu spüren, sodass die Steine nur so flogen. Nach dem Eintritt in die Schule glühten die Füße in allen Farben. Das machte großen Spaß. Es war „megacool“, würde man heute sagen.


Bilder (fotos und gemälde) aus der "guten alten Barfußzeit" gibt es hier: https://www.flickr.com/groups/barefootdays/pool/

War die zeit eine bessere? Wenn ich allein daran denke, wie oft ich ohne die moderne medizin schon gestorben wäre: Nein. Aber das allgemein barfußgehen war sicher keine schlechte sache, wenn auch damals meistens aus materiellen gründen und nicht etwa wie heute wegen gesundheit und wohlbefinden.
Also auf, wir stehen am beginn goldener Zwanzigerjahre, in denen barfußgehen in allen lebenslagen zur allgemein akzeptierten option werden könnte. Es liegt an uns, sie zu solchen zu machen, und der jugend gehört die zukunft, ich baue da voll auf die jüngeren mitleser!
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Ottomane » So 26. Jan 2020, 14:29

Aus einem Bericht über die 40er Jahre in Alabama (USA) den ich mir mal vor Jahren in der Bibliothek kopiert hatte:

Growing up in late 40s Alabama, shoes were uncommon at best. Children were barefoot most of the time with girls wearing boots in winter. Most boys also did, but my brother and I never bothered, even on snow days - mom encouraged us, telling me it was healthy and saved money. Our feet got numb and chill blaine was common, no attention was paied at all. Like some of the men, dad also had no boots - having been barefoot all his life, he thought of them as rediculous, believing that a good callus on a man's foot would make any kind of shoe unnecessary, laughing about those who would complain that they or the boys would need new shoes...and he worked the coal mine all day long! [...]

Geht weiter, vielleicht hab ich ja Bock mehr abzutippen, wenn Ihr wollt.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Khu » Fr 21. Feb 2020, 08:01

Wo ich meinen Garten habe, hat mich eine ältere Nachbarin Mal angesprochen, weil ich immer barfuss bin. Sie wollte wissen, ob ich auch eine dicke Hornhaut habe, ich habe dann kurz die Füße von unten gezeigt. Ich dachte, sie sagt die sind eklig oder so. Zu meiner Überraschung sagte sie "DAS muss ich angucken", hat meine Füße in die Hände genommen und gründlich untersucht, insbesondere meine Fersenrisse gefühlt - trotz Pferdemist und schlamm. Sie meinte dann, ich hätte schöne Füße, besonders weil ich so breite Lücken zwischen den Zehen und so eine dicke Hornhaut habe. Dann sagte sie, nach dem Krieg waren sie als Kinder lange barfuss, das war zu Anfang nicht immer lustig, hat ihnen dann aber sehr bald nichts mehr ausgemacht, und solche Füße hätte sie damals zu Letzt gesehen.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Fr 28. Aug 2020, 22:11

Für viele Menschen heute ist es unfassbar. Dasselbe Bild bot sich im gesamten Leben des Dorfes, nahezu zu jeder Jahreszeit: Erwachsene mit Hüten und Wintermänteln im Spätherbst, daneben barfuß laufende Kinder.

Für die Kinder war das sicher ein Erfolgserlebnis, dass sie auch bei Eis und Schnee barfuß laufen konnten, während die Erwachsenen Schuhe trugen und in Mäntel eingemummelt waren. Gerade in einer Zeit, in der sich Kinder immer unterzuordnen hatten, muss das ein gutes Gefühl gewesen sein. In diesem Bereich waren die Kinder den Erwachsenen überlegen. Sie kamen gut damit zurecht, keine Schuhe zu besitzen. Sie brauchten keine und wollten vielleicht auch keine, weil sie auch im Winter problemlos barfuß laufen konnten.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Sa 29. Aug 2020, 11:05

Khu hat geschrieben:Dann sagte sie, nach dem Krieg waren sie als Kinder lange barfuss, das war zu Anfang nicht immer lustig, hat ihnen dann aber sehr bald nichts mehr ausgemacht, und solche Füße hätte sie damals zu Letzt gesehen.

Wenn ich barfuß in der Stadt unterwegs bin oder in der Straßenbahn sitze, werde ich auch manchmal auf meine nackten Füße angesprochen, nicht oft,a ber wenn, dann vor allem von älteren Leute. Sie sagen oft, was du schreibst, dass sie als Kinder nach dem Krieg fast immer barfuß waren und gut trainierte Füße hatten. Ihre Reaktionen darauf, dass ich in der Öffentlichkeit barfuß laufe, sind durchweg positiv.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Mo 31. Aug 2020, 12:13

Ottomane hat geschrieben:Aus einem Bericht über die 40er Jahre in Alabama (USA) den ich mir mal vor Jahren in der Bibliothek kopiert hatte:

Growing up in late 40s Alabama, shoes were uncommon at best. Children were barefoot most of the time with girls wearing boots in winter. Most boys also did, but my brother and I never bothered, even on snow days - mom encouraged us, telling me it was healthy and saved money. Our feet got numb and chill blaine was common, no attention was paied at all. Like some of the men, dad also had no boots - having been barefoot all his life, he thought of them as rediculous, believing that a good callus on a man's foot would make any kind of shoe unnecessary, laughing about those who would complain that they or the boys would need new shoes...and he worked the coal mine all day long!

Das waren ideale Verhältnisse für Kinder, die das Barfußlaufen lieben. Der Vater ging als gutes Beispiel mit immer nackten Füßen voran, selbst bei seiner Arbeit im Kohlestaub, und die Mutter ermutigte ihre Söhne freundlich, keine Ausnahmen beim Barfußlaufen zu machen, auch nicht im Winter. Für die Füße ist es echt am besten, niemals Schuhe zu tragen. Es ist schon schade, dass das heute so schwer möglich ist.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon tiptoe » Di 1. Sep 2020, 09:24

Barfußaufgewachsen hat geschrieben:Für die Kinder war das sicher ein Erfolgserlebnis, dass sie auch bei Eis und Schnee barfuß laufen konnten, während die Erwachsenen Schuhe trugen und in Mäntel eingemummelt waren. Gerade in einer Zeit, in der sich Kinder immer unterzuordnen hatten, muss das ein gutes Gefühl gewesen sein. In diesem Bereich waren die Kinder den Erwachsenen überlegen. Sie kamen gut damit zurecht, keine Schuhe zu besitzen. Sie brauchten keine und wollten vielleicht auch keine, weil sie auch im Winter problemlos barfuß laufen konnten.


Ich hüte mich davor, die "gute alte Zeit" allzu sehr zu verklären: Es gab Kinderarbeit, Prügelstrafen, viele heute ausgerottete Krankheiten, mangelhafte gesundheitsversorgung, überhaupt mangel an vielem.
Aber ich denke auch, dass barfußgehen als befreiung angesehen wurde und nicht nur im sommer spaß gemacht hat. Mit den nackten zehen im herbstlaub rascheln oder abdrücke im frischen neuschnee hinterlassen, im schnee herumtoben, bis die zehen rot werden und prickeln. Auch in meiner kindheit in den 1970er/80er jahren kannte ich noch den grundsatz: mit nackten händen lassen sich bessere schneebälle formen und wer kalte finger kriegt, bewegt sich nicht genug (ich kann mich vorstellen, dass das etwas früher auch für die füße galt). Sicher haben viele eltern nicht nur aus wirtschaftlicher not auf schuhe für ihre kinder verzichtet, sondern weil sie wussten, dass barfuß aufwachsen ihnen gut tat und sie stark machte (wie auch sie selbst barfuß aufgewachsen waren).

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Aber das ist alles nicht nur "von früher": auch wenn einem heute billigschuhe nachgeworfen werden, wäre es das beste, den kindern von heute genauso den spaß am barfußlaufen zu vermitteln und das nicht nur an heißen sommertagen. Wenn die eltern ihre kinder ermahnen "geh nicht barfuß, du erkältest dich, du kriegst es an der blase, du holst dir erfrierungen", kann es aber nicht dazu kommen, dass die kinder ihre grenzen und auch ihre kältetoleranz mit spaß und ohne zwang erweitern.
Zuletzt geändert von tiptoe am Di 1. Sep 2020, 15:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Di 1. Sep 2020, 09:56

tiptoe hat geschrieben:
Barfußaufgewachsen hat geschrieben:
Ich hüte mich davor, die "gute alte Zeit" allzu sehr zu verklären: Es gab Kinderarbeit, Prügelstrafen, viele heute ausgerottete Krankheiten, mangelhafte gesundheitsversorgung, überhaupt mangel an vielem.
Aber ich denke auch, dass barfußgehen als befreiung angesehen wurde und nicht nur im sommer spaß gemacht hat. Mit den nackten zehen im herbstlaub rascheln oder abdrücke im frischen neuschnee hinterlassen, im schnee herumtoben, bis die zehen rot werden und prickeln. Auch in meiner kindheit in den 1970er/80er jahren kannte ich noch den grundsatz: mit nackten händen lassen sich bessere schneebälle formen und wer kalte finger kriegt, bewegt sich nicht genug (ich kann mich vorstellen, dass das etwas früher auch für die füße galt). Sicher haben viele eltern nicht nur aus wirtschaftlicher not auf schuhe für ihre kinder verzichtet, sondern weil sie wussten, dass barfuß aufwachsen ihnen gut tat und sie stark machte (wie auch sie selbst barfuß aufgewachsen waren).

Aber das ist alles nicht nur "von früher": auch wenn einem heute billigschuhe nachgeworfen werden, wäre es das beste, den kindern von heute genauso den spaß am barfußlaufen zu vermitteln und das nicht nur an heißen sommertagen. Wenn die eltern ihre kinder ermahnen "geh nicht barfuß, du erkältest dich, du kriegst es an der blase, du holst dir erfrierungen", kann es aber nicht dazu kommen, dass die kinder ihre grenzen und auch ihre kältetoleranz mit spaß und ohne zwang erweitern.

Ich stimme voll und ganz zu. Die "gute alte Zeit" war nicht wirklich gut, besonders für Kinder, die unter Gewalt zu leider hatten und sich nicht frei entwickeln konnten. Armut war ein Grund dafür, und die zeigte sich auch darin, dass manche Kinder gar keine Schuhe besaßen oder nur ein Paar für besondere Anlässe. Offenbar haben die meisten barfüßigen Kinder diesen besonderen Aspekt aber entweder ok gefunden oder gar nicht richtig wahrgenommen, weil nicht nur sie barfuß liefen, sondern viele, oft die Mehrheit der Kinder. Ich kenne zumindest keine Berichte von alten Leuten, die sich an ihre barfüßige Kindheit erinnern und dabei den Eindruck vermitteln: Oh wie schlimm, wie furchtbar! Wir hatten keine Schuhe! Eher schwingt so etwas wie Stolz mit: Wir hatten keine Schuhe, aber wir brauchten auch gar keine. Unsere Füße waren gesund und daran gewöhnt. Wir konnten immer und überall barfuß laufen, auf Schotterstraßen, auf Stoppelfeldern, auch im Winter auf verschneiten Wegen.
Ich denke auch, das hat der Gesundheit nicht geschadet, sondern war gut für die Kinder. Wenn sie krank wurden, dann nicht wegen der nackten Füße, sondern weil sie schlecht ernährt waren oder sich mit etwas infizierten, was nicht ausreichend behandelt werden konnte. Warme Kleidung ist schon wichtig, wenn es kühl wird, aber das gilt nicht unbedingt für die Füße. Die sind eben von Natur aus als Kontakt zum Boden vorgesehen (die wenigsten Leute laufen schließlich im Handstand) und deshalb schon so konstruiert, dass sie mit Kälte, Unebenheiten, Wasser, Matsch und so weiter gut zurecht kommen. Man muss sie halt nur lassen und ihnen nicht durch Schuhe jegliche Möglichkeit nehmen, sich frei zu entwickeln.
Und auch da gebe ich dir Recht: Das gilt nicht nur für alte Zeiten, sondern auch heute, vielleicht sogar heute noch mehr. Durch den Klimawandel scheinen harte Winter zu verschwinden oder die Ausnahme werden. Bei weitgehend frostfreien Wintern ist es nicht nur möglich, sondern gut und sinnvoll, Kinder das ganze Jahr barfuß laufen zu lassen. Natürlich soll das keine Vorschrift sein, aber aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass die meisten Kinder von sich aus barfuß gehen wollen, weil sie es lieben. Es ist allenfalls hilfreich, sie zu ermutigen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie genau das Richtige tun, wenn sie barfuß laufen, ganz egal, was manche seltsamen Erwachsenen dazu sagen.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon tiptoe » Di 1. Sep 2020, 12:15

Immerhin gibt es in der öffentlichen wahrnehmung in den letzten jahren einen gewissen bedeutungswandel: Barfuß wird nicht mehr so sehr als armutszeichen oder ungehörig wahrgenommen, sondern zwar immer noch als exzentrisch und unangepasst, aber immer mehr als gesund, wellness, selbstoptimierung. Erst wenn es die meisten als "eh nicht verkehrt" wahrnehmen, werden sich auch mehr erstens selber trauen, zweitens auch mehr eltern die zuversicht haben, ihren kindern über den sommer keine schuhe anzuziehen.

(Die vorstellung, das ganze jahr barfuß leben zu können, ist auch nur eine sportliche herausforderung wie auch andere dinge wie marathonlauf oder das besteigen schwieriger berge: Es erfordert training und eine gewisse begeisterung für die sache .... wird aber mit mehr praxis und übung immer einfacher.)

Exzentrisch und unangepasst war es wohl nicht immer, zu der von dir beschriebenen zeit waren auch die bravsten und gehorsamsten kinder natürlich den ganzen sommer barfuß unterwegs.

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Wenn heute kinder mal barfuß gehen dürfen, gibt es oft besorgte eltern, die ihnen sicherheitshalber ein paar schuhe nachtragen oder im rucksack, in der tasche usw. mitnehmen. Aber wenn es eh gut geht, kann darauf wohl getrost verzichtet werden.
Zuletzt geändert von tiptoe am Di 1. Sep 2020, 19:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Jojo » Di 1. Sep 2020, 13:45

Bei uns auf dem Dorf in Niederbayern war das nicht so. Meine Großeltern und meine inzwischen verstorbene Urgroßmutter haben mir das genau erzählt.

In die Sonntagsmesse gingen alle mit Schuhen und mit feinem Gewand/Kleid. Wenn man werktags einfach so in die Kirche ging durfte man das natürlich barfuß. Aber man durfte nicht barfuß in die Sonntagsmesse. Das ist völlig anders wie heute. Ich gehe selbstverständlich barfuß und in kurzer Hose in die Sonntagsmesse.

Niemand durfte im Winter barfuß laufen. Die Eltern wollten auf alle Fälle vermeiden dass man Frostbeulen kriegt.

In den Monaten ohne R waren alle barfuß, also von Anfang Mai bis Ende August waren alle Kinder, Jungs wie Mädels, immer barfuß, außer in der Sonntagsmesse. Man durfte auch davor oder danach barfuß laufen wenn es warm genug war. Es gab tatsächlich einen Wettbewerb zwischen den Jungs wer als erster barfuß gehen durfte und als letzter wieder Schuhe anziehen musste.

Aber eines haben meine Großeltern bestätigt. Die Kinder wollten barfuß laufen. Niemand wollte in der Zeit von Frühjahr bis Herbst Schuhe anhanben.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Di 1. Sep 2020, 14:02

Jojo hat geschrieben:Bei uns auf dem Dorf in Niederbayern war das nicht so. Meine Großeltern und meine inzwischen verstorbene Urgroßmutter haben mir das genau erzählt.

In die Sonntagsmesse gingen alle mit Schuhen und mit feinem Gewand/Kleid. Wenn man werktags einfach so in die Kirche ging durfte man das natürlich barfuß. Aber man durfte nicht barfuß in die Sonntagsmesse. Das ist völlig anders wie heute. Ich gehe selbstverständlich barfuß und in kurzer Hose in die Sonntagsmesse.

Niemand durfte im Winter barfuß laufen. Die Eltern wollten auf alle Fälle vermeiden dass man Frostbeulen kriegt.

In den Monaten ohne R waren alle barfuß, also von Anfang Mai bis Ende August waren alle Kinder, Jungs wie Mädels, immer barfuß, außer in der Sonntagsmesse. Man durfte auch davor oder danach barfuß laufen wenn es warm genug war. Es gab tatsächlich einen Wettbewerb zwischen den Jungs wer als erster barfuß gehen durfte und als letzter wieder Schuhe anziehen musste.

Aber eines haben meine Großeltern bestätigt. Die Kinder wollten barfuß laufen. Niemand wollte in der Zeit von Frühjahr bis Herbst Schuhe anhanben.


Danke für den interessanten Beitrag aus erster Hand, also von deinen Großeltern und Urgroßeltern. Das bestätigt Vieles, was ich erfahren und beschrieben habe. Örtliche Unterschiede gab es natürlich. Bei dem Stellenwert, den die Sonntagsmesse für die katholischen Gläubigen auf dem Dorf hatte, ist es klar, dass dabei das feinste vorhandene Outfit getragen wurde, und dazu gehörten eben auch Schuhe. Erstaunlich finde ich eher, dass werktags der Kirchenbesuch barfuß ok war. Ich gehe übrigens auch barfuß zur Kirche, bin allerdings evangelisch.
Das Barfußlaufen im Winter war sicher nicht der Normalzustand in jeder Gegend. Wenn es machbar war, hatten die Kinder wahrscheinlich irgend etwas an den Füßen, auch wenn es nur noch entfernt nach Schuhen aussah und viel zu klein oder zu groß war. Besser für die Füße als Barfußlaufen war das bestimmt nicht, und es sollte wahrscheinlich auch eher dem guten Ruf der Eltern dienen, die nicht ihre Armut zur Schau stellen wollten. Die Kinder hätten wahrscheinlich gern auf diese oft unbequemen und ungesunden Schuhe verzichtet. Es gibt jedenfalls auch Berichte von Kindern, die überhaupt keine Schuhe besaßen und deshalb natürlich das ganze Jahr barfuß liefen, auch im Winter oft weitere Strecken durch den Schnee. Ich nehme an, ihren Füßen ging es nicht schlechter als denen in zu engen oder zu weiten, starren alten Schuhen. Alles, was ich gehört und gelesen habe, spricht auch dafür, dass die Kinder sehr gern barfuß gelaufen sind, obwohl sie es aus Armut oder Sparsamkeit mussten. Wenn sie die Wahl gehabt hätten, hätten sie sich auch selbst fürs Barfußlaufen entschieden.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon tiptoe » Di 1. Sep 2020, 15:59

Jojo hat geschrieben:In die Sonntagsmesse gingen alle mit Schuhen und mit feinem Gewand/Kleid.


Ich denke die Sonntagsmesse war damals zumindest auf dem land der gesellschaftliche anlass, bei dem alle zeigen, was sie sind und haben; dazu gehörte, die ganze famile entsprechend herauszuputzen ....
(Verschiedentlich sind auch geschichten von leuten zu lesen, die ihre schuhe auf dem langen und nicht immer sauberen weg zur kirche schonten, bis zur kirche in den händen trugen und erst dort anzogen.)
Selbst bei regelmäßigen kirchgängern spielt das wohl längst nicht mehr so die herausragende rolle, wie auch der pfarrer längst nicht mehr die respektsperson nummer eins im ort ist.

(Dagegen verbieten es verschiedene religionsgemeinschaften der erde, ihre gotteshäuser mit schuhen zu betreten. Aber religion hatte noch nie viel mit logik zu tun, dafür um so mehr mit tradition.)

Bild
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Di 1. Sep 2020, 16:15

tiptoe hat geschrieben:
Jojo hat geschrieben:
(Dagegen verbieten es verschiedene religionsgemeinschaften der erde, ihre gotteshäuser mit schuhen zu betreten. Aber religion hatte noch nie viel mit logik zu tun, dafür um so mehr mit tradition.)

Bild


Ich denke mal, heilige Orten nur barfuß zu betreten, ist die viel ältere Tradition. Schuhe zu tragen und den ganzen Brimborium von festlicher Kleidung, das ist erst aufgekommen, als Gottesdienste zum Schauplatz von gesellschaftlichem Ansehen verkommen sind.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Barfußaufgewachsen » Di 1. Sep 2020, 16:21

tiptoe hat geschrieben:Immerhin gibt es in der öffentlichen wahrnehmung in den letzten jahren einen gewissen bedeutungswandel: Barfuß wird nicht mehr so sehr als armutszeichen oder ungehörig wahrgenommen, sondern zwar immer noch als exzentrisch und unangepasst, aber immer mehr als gesund, wellness, selbstoptimierung. Erst wenn es die meisten als "eh nicht verkehrt" wahrnehmen,

(Die vorstellung, das ganze jahr barfuß leben zu können, ist auch nur eine sportliche herausforderung wie auch andere dinge wie marathonlauf oder das besteigen schwieriger berge: Es erfordert training und eine gewisse begeisterung für die sache .... wird aber mit mehr praxis und übung immer einfacher.)


Danke für das schöne Foto. Es zeigt, wie selbstverständlich Kinder früher barfuß zur Schule gingen, zumindest im Sommer in vielen Gegenden.
Den Wandel zu mehr Barfußfreundlichkeit nehme ich auch wahr. Als Jugendlicher wurde ich noch von Erwachsenen richtig zur Rede gestellt, weil ich es wagte, barfuß durch den Ort zu gehen. Bei Kindern wurde das noch hingenimmen, aber Jugendliche hatten gefälligst Schuhe zu tragen. Ich bin trotzdem barfuß gelaufen. :P
Selbst zu sehen, was geht, das war auch bei mir der Grund, als ich im Studium begonnen habe, das ganze Jahr über barfuß zu laufen. Und es ging erstaunlich gut, obwohl vor etwa 30 Jahren die Winter kälter waren als heute und manchmal viel Schnee lag. Es ist echt eine Frage des Trainings und der inneren EInstellung. Ich wollte barfuß leben, also ging es auch.
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Re: Barfussgeschichten von früher

Beitragvon Jojo » Mi 2. Sep 2020, 06:25

Barfußaufgewachsen hat geschrieben:
Jojo hat geschrieben:Bei uns auf dem Dorf in Niederbayern war das nicht so. Meine Großeltern und meine inzwischen verstorbene Urgroßmutter haben mir das genau erzählt.

In die Sonntagsmesse gingen alle mit Schuhen und mit feinem Gewand/Kleid. Wenn man werktags einfach so in die Kirche ging durfte man das natürlich barfuß. Aber man durfte nicht barfuß in die Sonntagsmesse. Das ist völlig anders wie heute. Ich gehe selbstverständlich barfuß und in kurzer Hose in die Sonntagsmesse.

Niemand durfte im Winter barfuß laufen. Die Eltern wollten auf alle Fälle vermeiden dass man Frostbeulen kriegt.

In den Monaten ohne R waren alle barfuß, also von Anfang Mai bis Ende August waren alle Kinder, Jungs wie Mädels, immer barfuß, außer in der Sonntagsmesse. Man durfte auch davor oder danach barfuß laufen wenn es warm genug war. Es gab tatsächlich einen Wettbewerb zwischen den Jungs wer als erster barfuß gehen durfte und als letzter wieder Schuhe anziehen musste.

Aber eines haben meine Großeltern bestätigt. Die Kinder wollten barfuß laufen. Niemand wollte in der Zeit von Frühjahr bis Herbst Schuhe anhanben.


Danke für den interessanten Beitrag aus erster Hand, also von deinen Großeltern und Urgroßeltern. Das bestätigt Vieles, was ich erfahren und beschrieben habe. Örtliche Unterschiede gab es natürlich. Bei dem Stellenwert, den die Sonntagsmesse für die katholischen Gläubigen auf dem Dorf hatte, ist es klar, dass dabei das feinste vorhandene Outfit getragen wurde, und dazu gehörten eben auch Schuhe. Erstaunlich finde ich eher, dass werktags der Kirchenbesuch barfuß ok war. Ich gehe übrigens auch barfuß zur Kirche, bin allerdings evangelisch.
Das Barfußlaufen im Winter war sicher nicht der Normalzustand in jeder Gegend. Wenn es machbar war, hatten die Kinder wahrscheinlich irgend etwas an den Füßen, auch wenn es nur noch entfernt nach Schuhen aussah und viel zu klein oder zu groß war. Besser für die Füße als Barfußlaufen war das bestimmt nicht, und es sollte wahrscheinlich auch eher dem guten Ruf der Eltern dienen, die nicht ihre Armut zur Schau stellen wollten. Die Kinder hätten wahrscheinlich gern auf diese oft unbequemen und ungesunden Schuhe verzichtet. Es gibt jedenfalls auch Berichte von Kindern, die überhaupt keine Schuhe besaßen und deshalb natürlich das ganze Jahr barfuß liefen, auch im Winter oft weitere Strecken durch den Schnee. Ich nehme an, ihren Füßen ging es nicht schlechter als denen in zu engen oder zu weiten, starren alten Schuhen. Alles, was ich gehört und gelesen habe, spricht auch dafür, dass die Kinder sehr gern barfuß gelaufen sind, obwohl sie es aus Armut oder Sparsamkeit mussten. Wenn sie die Wahl gehabt hätten, hätten sie sich auch selbst fürs Barfußlaufen entschieden.


Meine Urgroßeltern sind zwischen den Weltkriegen in die Schule gegangen. Sie besaßen hohe Winterschuhe. Sie hatten aber keine Sommerhalbschuhe. Die Winterschuhe zog man auch im Sommer in die Sonntagsmesse an. Klar dass man die sonst in der warmen Jahreszeit nie anhatte.
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