Jojo hat geschrieben:Meine Großeltern sind in der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgewachsen. Auf unseren Dörfern hatten alle Kinder Winterstiefel. Niemand durfte im Winter barfuß gehen. Im Sommer waren alle immer barfuß, außer in der Kirche.
Zeitungsjunge hat geschrieben:In der Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg fehlten viele Dinge des täglichen Lebens, auch Schuhe, und es war gar nicht zu ändern, dass Kinder oft oder sogar immer barfuß liefen. Betroffen waren vor allem Familien, die gerade geflüchtet oder vertrieben worden waren, aber auch die Menschen, die in den zerbombten Städten ihren Besitz verloren hatten. Dort war das Umfeld nicht besonders barfußfreundlich. Überall gab es Trümmerberge. Viele Straßen bestanden nur aus eingeebnetem Schutt, voller Staub und spitzer Steine. Erwachsene gingen dort eher nicht barfuß. Wenn Schuhe aufgetrieben wurden, dann für sie. Schuhe auch für Kinder zu besorgen, wurde als weniger wichtig gesehen. Es hätte auch nur ein paar Monate geholfen, weil die Füße noch wuchsen. Außerdem hatten Kinder keinen "guten Ruf" zu verlieren, wenn sie barfuß liefen, und schließlich wird es so etwas wie ein tiefes Vertrauen gegeben haben, dass Kinderfüße irgendwie mit Allem barfuß zurecht kommen.
Zeitungsjunge hat geschrieben:Jojo hat geschrieben:Meine Großeltern sind in der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgewachsen. Auf unseren Dörfern hatten alle Kinder Winterstiefel. Niemand durfte im Winter barfuß gehen. Im Sommer waren alle immer barfuß, außer in der Kirche.
Gehören deine Großeltern zu Familien, die schon lange dort leben? Ich bin selbst in einem Dorf aufgewachsen. Da hielten sich die "Ureinwohner" alle mehr oder minder an feste Regeln, etwa wann wie die Gräber zu schmücken waren, wann die Straße zu kehren war und eben auch, was als ordentliches Outfit galt und was nicht. Dazu gehörte auch, nicht einfach nach Lust und Laune in der Öffentlichkeit barfuß zu gehen. Das weichte erst am Ende des letzten Jahrhunderts auf. Ich nehme an, deine Großeltern sind mit ähnlichen Regeln aufgewachsen, die in manchen Gegenden das Barfußlaufen gar nicht vorsahen und anderswo eben nur zu bestimmten Zeiten. Außerhalt dieser Zeiten oder sogar immer barfuß zu laufen, das machten Leute, die nicht mit den Gewohnheiten am Ort vertraut waren oder sie bewusst nicht einhalten wollten oder es nicht konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren das in den Dörfern oft Flüchtlinge und Vertriebene, die schlicht keine Schuhe für ihre Kinder hatten, in meiner Kindheit etwa drei Jahrzehnte später dann "Alternative", die im Dorf leben wollten, aber eben auf ihre Art. Ich erinnere mich an eine Art Kommune in unserem Dorf, deren Mitglieder auch barfuß liefen.
Zeitungsjunge hat geschrieben:Aus Essen kommt dieses Foto aus der Nachkriegszeit von barfüßigen Jungs am Bahnhof der Stadt, zwischen Ruinen und Trümmern.
Jojo hat geschrieben:Es mag ja Gegenden gegeben haben wo Kinder auch im Winter barfuß waren aber das war sicher selten.
Jojo hat geschrieben:
Es mag ja Gegenden gegeben haben wo Kinder auch im Winter barfuß waren aber das war sicher selten.
Khu hat geschrieben:In der Nachkriegszeit war es sicherlich überall so, dass es Kinder gab, die auch im Winter barfuss liefen - einfach aus der Not heraus. Die Frage in welchem Umfang - also bei Eis und Schnee barfuss zur Schule oder schon bei leichtem Frost das Haus nicht mehr verlassen - war sicherlich individuell unterschiedlich.
tiptoe hat geschrieben:Aber schon im kaiserreich nahm die industrie einen gewaltigen aufschwung, die handwerker wurden in den städten von kaufhäusern verdrängt, in denen industriell gefertigte waren in standardisierten größen zu festen preisen erworben werden konnten, auch schuhe, und das zu einem preis, wo der kleine schuster kaum mithalten konnte. Notzeiten ausgenommen, war "barfußgehen aus Armut" somit bald kein thema mehr.
Zeitungsjunge hat geschrieben:danke für die interessanten Infos, auch mit dem Ausblick nach Irland. Für uns heute ist das schwer zu verstehen, weil es viele Freiheiten im Gestalten des eigenen Lebens gibt, aber früher war das Barfußlaufen eine Frage der Tradition, mindestens genau so wie es vom Klima abhing, vielleicht sogar noch mehr. Wenn Frauen und Kinder an einem Ort immer schon barfuß gegangen waren, dann machten sie das eben, auch bei Kälte. Und wenn das Barfußlaufen überhaupt unüblich war, dann machte "man" das auch nicht. Wer sich keine Schuhe leisten konnte, gehörte dort nicht wirklich dazu oder hatte zumindest seinen schlechten Ruf weg.
tiptoe hat geschrieben:Halte ich alles für etwas zu überreguliert; besser wäre es, wenn jeder selbst herausfinden darf, wann barfuß angenehm und die bessere wahl ist, ganz unabhängig vom kalender. Sicher gab es in jeder epoche einige, denen barfußgehen einfach spaß gemacht hat und die das deshalb bei jeder gelegenheit gemacht haben.
Zeitungsjunge hat geschrieben:tiptoe hat geschrieben:Halte ich alles für etwas zu überreguliert; besser wäre es, wenn jeder selbst herausfinden darf, wann barfuß angenehm und die bessere wahl ist, ganz unabhängig vom kalender. Sicher gab es in jeder epoche einige, denen barfußgehen einfach spaß gemacht hat und die das deshalb bei jeder gelegenheit gemacht haben.
Davon bin ich überzeugt, weil ich selbst seit meiner Kindheit am liebsten barfuß bin.
Alte Berichte über das Barfußgehen von Kindern, die keine Schuhe hatten oder sie schonen mussten, sind meistens anklagend oder auf Mitleid aus. Vor allem die Schulaufsicht und andere amtliche Stellen sahen es als Missstand, dass Kinder barfuß zur Schule kamen. Den Verfassern taten die Kinder leid, weil sie das Barfußlaufen für ungesund hielten, vor allem in der kalten Jahreszeit. Daneben ist vielen dieser alten Berichte aber auch ein Widerwillen anzumerken, der sich gegen nackte Füße in der Öffentlichkeit richtet. Nackte Füße waren für sie unanständig, sie störten die Ordnung.
Für solche Sittenwächter war es kaum vorstellbar, dass Kinder gern barfuß liefen. Ich bin mir dagegen sicher, dass viele Kinder sehnsüchtig darauf warteten, dass sie endlich im Frühjahr ihre Schuhe abgeben mussten und sie monatelang ungestört barfuß laufen konnten. Und manche Kinder werden heimlich gehofft haben, dass die weggeschlossenen Schuhe im Herbst zu klein waren und es keinen Ersatz gab. Sie liefen nämlich so gerne barfuß, dass sie gar nicht damit aufhören wollten, auch im Winter nicht.
Das ganzjährige Barfußlaufen war gut für die Füße, für das Selbstvertrauen und für das Ansehen. Gerade unter Jungs war es sicher ein Zeichen von Stärke, bei jedem Wetter draußen barfuß zu laufen.
Jojo hat geschrieben:Wie schon mehrfach gesagt, berichten meine Großeltern das anders: Sie wollten von Frühjahr bis Herbst immer barfuß sein aber sie wollten im Winter Schuhe anhaben. Speziell für die Jungs war es auch damals wichtig dass sie harte Sohlen hatten aber im Winter wollten sie nicht barfuß sein.
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